Beleidigen Arbeitnehmer*innen[1] in einer privaten WhatsApp-Gruppe ihre/n Vorgesetzten, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen, so das Bundesarbeitsgericht in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 24. August 2023 – 2 AZR 17/23). Nur in besonderen Fällen können sie sich darauf berufen, dass die Kommunikation in der Gruppe vertraulich war.
Beleidigung – Paradebeispiel der außerordentlichen Kündigung
Die Beleidigung von Arbeitskollegen oder Vorgesetzten ist eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung und ein Paradebeispiel für Fälle, in denen die strengen Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfüllt sind. Grund dafür ist, dass durch die Beleidigung entweder der Betriebsfrieden erheblich gestört oder das dem Arbeitsverhältnis zugrundeliegende Vertrauensverhältnis erheblich erschüttert ist.
Umstände der Beleidung entscheidend
Dass dies der Fall ist, ist offensichtlich, wenn die Beleidigung offen „ins Gesicht“ am Arbeitsplatz erfolgt. Anders kann dies allerdings sein, wenn die Beleidigung in einem Umfeld geschieht, in dem der Arbeitnehmer davon ausgehen durfte, dass die beleidigte Person und auch sonst niemand, außer das nahe Umfeld hiervon erfahren wird. Diese Form der vertraulichen Kommunikation unterfällt dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und ist grundrechtlich geschützt. Es kommt also entscheidend auf die Umstände der Beleidigung an (BAG, Urteil vom 10.12.2009 – 2 AZR 534/08).
Unklar war bislang, wie hier die Beleidung von Vorgesetzten in einer privaten geschlossenen WhatsApp-Gruppe unter Kollegen zu beurteilen ist. Arbeitsgerichte waren bisher überwiegen, ebenso wie die Vorinstanzen in diesem Fall, davon ausgegangen, dass auch diese Kommunikation vertraulich ist und die Arbeitnehmer hierauf auch vertrauen durften (z.B. ArbG Mainz, Urteil vom 15.11.2017 – 4 Ca 1240/17).
BAG: Vertraulichkeitserwartung muss besonders begründet werden
Dem tritt nun das BAG entgegen. In dem entschiedenen Fall hatten sich mehrere Mitglieder einer WhatsApp-Gruppe unter Kollegen menschenverachten, frauenfeindlich und rassistisch und unter Ankündigung von Gewalt über Vorgesetzte ausgelassen.
Das BAG entschied nun, dass die Erwartung der Vertraulichkeit bei einer WhatsApp-Gruppe, in der beleidigende und menschenverachtende Inhalte unter Kollegen geteilt werden, besonders dargelegt werden muss. Das BAG hat die Sache an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zurückverwiesen. Die Arbeitnehmer haben nun die Gelegenheit darzulegen, warum sie „angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung“ haben durften. Insbesondere die Betonung des BAG, dass WhatsApp auf die schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegt ist, deutet darauf hin, dass es Arbeitnehmer in der Regel schwerfallen wird, eine solche Erwartung bei Nachrichten in einer Chatgruppe zu begründen.
[1] Im Folgenden wird der einfacheren Lesbarkeit halber das generische Maskulinum verwendet. Es sind stets alle Geschlechter gemeint.